"Um (...) [zeitgemäße] Hundezucht erfolgreich zu gestalten, ist vor allem ein radikales Umdenken in Bezug auf die Zuchtziele notwendig. Die heutige Aufgabe des Züchters besteht nicht mehr in der Verbesserung der Rasse bezüglich ihres Aussehens oder ihrer Verhaltensweisen, sondern darin, rassetypische Merkmale zu erhalten und zwar bei Hunden mit hoher Vitalität und Fitness. (...) Die heutige Hundezucht muss eine Erhaltungszucht im besten Sinne des Wortes sein. Das ist durchaus kein langweiliges Zuchtziel. Im Gegenteil, dieses Bestreben wird züchterisches Können erheblich mehr fordern als dies je der Fall war." Dr. Helga Eichelberg in Hundezucht (2006: 59)
Es sind klare Worte, die in diesem Zitat gesprochen werden, und sie verdeutlichen sehr gut, wie ich über die Zucht von Hunden denke und welche Einstellungen mich bei der Wahl der Deckpartner grundsätzlich leiten. Ich bin bestrebt, den Inzuchtkoeffizienten der von mir gezüchteten Hunde unter dem aktuellen Durchschnittswert der Rasse zu halten. Meine Überzeugung ist es, dass eine Hunderasse am besten gesund und vital gehalten werden kann, wenn sie über einen möglichst großen Genpool bzw. jedes Individuum über eine möglichst große genetische Vielfalt verfügt. Von besonderer Bedeutung sind diese Gedanken, wenn ich den Blick in die Zukunft und weit in die Zukunft richte, und dies tue ich, wenn ich über mögliche Verpaarungen nachdenke.
"The coefficent of inbreeding is equal to the risk of inheriting two copies of the same mutation from an ancestor on both sides of the pedigree." "You can control genetic disorders caused by recessive mutations by controlling homozygosity." C. Beuchat in Why all the fuss about inbreeding? (2015)
Eines möchte ich noch anfügen: der immer wieder gepriesene Vorteil von Linienzucht bzw. Inzucht fußt neben der Verbesserung bzw. Festigung bestimmter ausgewählter Merkmale auf der Homogenität bzw. Vorhersagbarkeit der Ergebnisse von den Nachkommen dieser Würfe. Diesbezüglich ist jedoch dreierlei einzuwenden: zum einen sind diese Würfe in der Realität oft nicht so homogen wie erwartet und schnüren lediglich den "genetischen Flaschenhals" (es gibt dabei keinen Rückweg) immer enger, und zum anderen ist dieser vermeintliche Vorteil der erhofften Homogenität aus meiner Sicht bei näherer Betrachtung ein Nachteil, da sich die Interessen und Charaktere der Welpenkäufer*innen ebenfalls alles andere als homogen darstellen; es fällt mir persönlich so viel leichter, ein harmonierendes Team zusammenfinden zu lassen. Und außerdem scheint sich die Arbeitslinienzucht der Labradore nicht durch eine weitere FTCh x FTCh- Verpaarung verbessern zu lassen. Diese Zuchtrichtung ist bereits so lange verbessert worden, dass sich schon ab dem Jahr 1984 die Chancen auf einen IGL-Award nicht durch entsprechende Züchtung beeinflussen ließen. Ich zitiere Graham Cox und Dr Gareth Davies aus The Best of the Best- A History of the IGL Retriever Championship 1909 - 2011 (2013: 56) : "Therefore the statistics suggest that the chance of gaining an award with a qualifier whose parents had not gained their working titles was not significantly different from a qualifier bred from parents who were both field trail champions". Wenn schon ab dieser Zeit diese Art der Verpaarung nicht mehr zu einer Verbesserung der Arbeitsleistung beitrug, dann folglich auch erst recht nicht mehr die Linienzucht heutzutage auf bestimmte FTChs....
Schließen möchte ich diese Ausführungen mit einem nachdenklich stimmenden Zitat:
"We were not satisfied with good represantatives of the breed, we wanted the best. (...) but the closer we come to our goal the less effective selection will be (...). J. Gubbels in Genetic management of dog breed populations (2002)